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Produkttest LOWA Mountain Expert GTX EVO

„Konzipiert als perfekter Allrounder für schwieriges, kombiniertes hochalpines Gelände. Sein Einsatzspektrum reicht von alpiner Kletterei und Klettersteigen bis zu klassischen Hochtouren.“ Nichts Geringeres als die eierlegende Wollmilchsau unter den Bergstiefeln verspricht LOWA mit dem Mountain Expert GTX EVO zu bieten. Ob die roten Treter diesen hohen Ansprüchen gerecht werden?

Der Markt an Bergschuhen ist für einen Laien kaum noch zu überschauen. Von ultraleichten und flexiblen Trailrunningschuhen auf der einen Seite bis hin zu ultrasteifen, steigeisenfesten Hochgebirgsstiefeln für den Einsatz in kombiniertem Gelände auf der anderen Seite reicht das Spektrum. Die Aufgabe für einen Allround-Bergstiefel ist demnach eine denkbar undankbare. In allen Teildisziplinen muss sich der Anwärter schließlich mit den Spezialisten seines Fachs messen. Gelingt LOWA mit dem Mountain Expert GTX EVO der gewagte Spagat zwischen Flexibilität und Unterstützung, zwischen Kantenstabilität und Abrollkomfort, zwischen Isolation und Atmungsaktivität?


Der erste Eindruck: Handwerkskunst, Hightech,  Sicherheit

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© Jose Javier Faust Giron

Beim Öffnen des Kartons strahlen mich die knallroten Stiefel an. Der erste Eindruck verblüfft aber nicht nur farbtechnisch. Nicht der winzigste Kleberest lässt sich auf Leder oder Gummirand finden. Das Innenfutter ohne Übergänge perfekt vernäht, die Kantenränder wie mit einem Skalpell geschnitten. Was LOWA mit dem Mountain Expert GTX EVO abliefert, darf man getrost als Messlatte im Bereich Verarbeitungsqualität bezeichnen. Auch überzeugend: Das bayerische Unternehmen produziert ausschließlich in Europa.


Die Konstruktion: Aufbau und Features dieses Hightechgeräts

Der Praxistest – aus der Not eine Tugend gemacht

Um die Schuhe auf Herz und Nieren zu testen, bieten sich idealerweise Hochtouren an: Wald- und Wiesen-Zustiege, steile Schutthalden, Blockgelände, später dann Gletscher-/Firnfeldquerungen bis hin zu technischen Felspassagen, kombiniertem Gelände oder bloßem Eis. Jedoch meinte es der Wettergott 2016 nicht sonderlich gut, so habe ich dem Schuh bei vielen Touren in den einzelnen Aufgabenbereichen auf den Zahn gefühlt.

Wald & Wiesen-Wandern

Sich beim klassischen „Tal-Hatscher“ müde Füße und Blasen zu laufen, schmeckt keinem Bergsteiger. Gerade Bergstiefel sind aufgrund ihrer steifen Konstruktion aber recht anfällig. Wer nicht zwei Paar Schuhe mit auf den Berg schleppen will, wird Einbußen in Punkto Gehkomfort in Kauf nehmen müssen. Hier überraschte mich der Mountain Expert GTX EVO positiv. Durch die ausgefeilte Schnürung in Kombination mit dem angenehmen Innenfutter, werden selbst die leidigen Etappen erträglich. Die hohe Schaftkonstruktion verhindert effektiv ein Umknicken im Knöchelbereich. Andererseits ermüdet das höhere Gewicht im Vergleich zu leichten Bergschuhen auch schneller die Fußmuskulatur. Was den Untergrund angeht, ist die Vibram®-Sohle über jeden Zweifel erhaben: Schlamm, erdige Waldböden oder auch nasse Wiesen – stoisch bahnt einem der Stiefel einen komfortablen Weg. Auch das Fußklima zeigt sich während schweißtreibender Anstiege unter hochsommerlichen Bedingungen überraschend mild.

Schotter, Geröll, Schrofen & Steilgras

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© Jose Javier Faust Giron

Je steiler es wird, umso wohler fühlt sich der „Berg-Experte“ – in scharfkantigem Geröll bietet der LOWA jede Menge Schutz und verzeiht auch grobmotorische Trittwahl. In steilen Schutthalden oder Querungen durch kleinkörnigen Schotter lassen sich mit geringem Kraftaufwand Stufen in den Hang treten. Im Abstieg bereiten eben jene Schutthalden dann umso mehr Freude, denn das „Absurfen“ von Schotterhängen gelingt kinderleicht. Im Schrofen, einem steilen, von losen Felsbrocken und Graswasen durchsetzten Gelände, überrascht der LOWA durch eine Sensibilität, die man einem optisch so wuchtigen Stiefel gar nicht zutrauen würde. Eine im übrigen Alpenraum eher selten anzutreffende Geländeform ist in meinem Allgäuer Testgebiet mehr Regel denn Ausnahme: Steilgras. Hier durfte sich der Mountain Expert GTX EVO bei Klassikern wie der berüchtigten Höfatsüberschreitung oder relativ unbekannten Geheimtipps beweisen. Wie bei allen anderen Geländeformen wurde ich auch hier nicht enttäuscht und genoss auf allen Abenteuern eine davor nicht gekannte Trittsicherheit.

Leisten, Löcher, Platten – ab in den Fels

Die Feuerprobe im Fels fand im heimischen Kalk-Klettergarten statt. Hier erfolgte für mich der größte Aha-Effek des Tests: Das Treten mit dem LOWA erfolgt dermaßen intuitiv und dennoch präzise, dass ich es auf den ersten vertikalen Metern nicht so recht glauben wollte! Vibram-Gummi und Climbing-Zone funktionieren blendend und stellen stets ausreichend Kontaktfläche zum Fels her. Lediglich Löcher, wie sie häufig in wasserzerfressenem Kalk vorkommen, lassen sich mit dem hohen Zehenbereich weniger gut als Tritt nutzen.

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© Jose Javier Faust Giron

In reinen Reibungspassagen war für mich im IV. Schwierigkeitsgrad (UIAA) und in klassischer Wandkletterei im V. Grad Schluss. Das ist für einen Schuh dieser Ausrichtung mehr als ausreichend. In der Realität wird im Fels wohl der Träger der limitierende Faktor sein und nicht der Stiefel.

In meinem Test-Sommer konnte der Mountain Expert GTX EVO unter anderem bei der Überschreitung der Trettachspitze und auf dem Köllenspitze Westgrat voll überzeugen. Auch auf eisernen Wegen spielt der LOWA seine bereits genannten Qualitäten aus: Eisenklammen und Metallstifte wie am Bergkameraden Klettersteig können durch das mittige Profil sicher belastet werden.

Für mich trägt der LOWA seinen Namen „Berg Experte“ vollkommen zu Recht. Nun steht der Winter vor der Allgäuer Tür. Die kommenden (hoffentlich weißen) Monate sollen endgültig klären, ob mich die schicken roten Treter auch in Schnee und Eis so überzeugen können, wie sie es ohne Ausnahme im Sommer getan haben. Wird der Mountain Expert GTX EVO von LOWA von mir zum Allrounder, zum Alleskönner, zum MacGyver unter den Bergstiefeln geadelt werden? Der Wintertest wird es zeigen.

Kommentare

  • Von Bernd Kremer am 22.11.2016 11:34

    Habe den Vorgänger Schuh, und viele Kilometer auf Schotter und naturboden verwendet. Mit dem Schuh bin ich insgesamt sehr zufrieden. Er ist sehr leicht, aber gibt sehr guten seitlichen halt. Die Schnürung ist sehr effektiv. Der Schuh ist atmungsaktiv sowie gut belüftet. Die Sohle ist sehr griffig, aber am Absatz

  • Von Andreas Beyer am 10.06.2017 19:32

    Finger weg von diesem Schuh!!
    Ich habe diesen Schuh im Herbst 2016 gekauft. Nach wochenlanger Recherche über das Internet (Outdoor Magazin, Bergsteiger u.s.w.) habe ich mich dann letztendlich für diesen Bergschuh entschieden.
    Nach nun ca. 30 und mehr Touren (Mehrtagestouren und Tagestouren im Gebirge) bin ich nun doch zu dem Schluss gekommen das es rausgeschmissenes Geld war.
    Ja, der Schuh ist sehr stabil, die Sohle hat einen guten Grip und im Winter hält die Isolierung schön warm. Im Grunde genommen sind alle Infos die von den Testern gegen wurden wahr, aber die größte Schwäche dieser Schuhe wurde entweder gar nicht erwähnt oder heruntergespielt.
    Die Konstruktion des Fersenbereiches ist absolut unbrauchbar. Alles ist fein so lange man auf ebenen Wegen oder bergab geht. Aber sobald man bergauf geht, was eigentlich ein zentraler Teil beim Bergwandern- und steigens ist, kann man den Schuh vergessen. Die Fersen werden extreme aufgescheuert und dies ist nur eine Frage von Minuten.
    Bei jeder einzelnen Tour hat es nicht einmal eine halbe Stunde im Aufstieg gedauert, bis meine Fersen blutig waren und der Rest der Tour zu einer einzigen Qual wurde. Ich habe mir bisher immer eingeredet, dass die Schuhe einfach nur noch nicht richtig eingelaufen sind (wurde ein bis zweimal in verschiedenen Tests erwähnt, dass man diese einlaufen muss), aber nach heute nicht mehr. Blasenpflaster und zwei Paar Socken konnten nicht verhindern, dass meine Fersen aussehen als wären Sie über Stunden mit Sandpapier bearbeitet worden.
    In den Schuhen ist mittlerweile so viel Blut von mir, ich kann diese nicht einmal mehr verschenken, geschweige denn umtauschen.

  • Von Johannes Babbel am 29.12.2017 14:03

    Herr Beyer, deswegen sollte man Bergschuhe anprobieren und nur einen kaufen, der auch passt, anstatt nach dem Datenblatt zu gehen. 😉

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