SCARPA RUSH: Allroundschuh für flotte Bergwanderer im Test
Mit dem neuen RUSH bringt die italienische Traditionsschuhschmiede SCARPA ein Hybridmodell zwischen einem Laufschuh und einem Wanderstiefel auf den Markt. Dabei sollen die Vorteile aus beiden Welten in einem Alleskönner vereint werden.
Konkret: Der Schutz und die Stabilität eines Wanderstiefels sollen mit der Flexibilität und dem Komfort eines Laufschuhs in einem Schuh gebündelt werden. „Trailrunning-Schuhe gibts doch schon länger“, mag sich der eine oder die andere jetzt vielleicht denken. Stimmt. Doch die Zeit hat gezeigt, dass zwischen den ultrafitten Bergläufern/-innen, die auch mit minimalistischen Trailrunningschuhen auskommen und dem gemütlichen Wandervolk, das mit schweren, sperrigen Stiefeln durch die Landschaft stapft, eine große Lücke klafft. Ambitionierte Wanderer, die gerne mal leicht und flott unterwegs sind etwa. Aber auch routinierte „Tal-Läufer“, die sich in höhere Regionen und ein wilderes Terrain vorwagen wollen, fallen in diese Lücke. Diese immer beliebtere Lücke wird gerne „Cross Trail“ genannt und der Schuhhersteller SCARPA will sie mit dem neuen RUSH füllen.
Wer sich selbst in dieser Lücke wiederfindet, sollte nun weiterlesen – wir haben den RUSH sowohl in der Damen- als auch in der Herrenversion auf Herz und Nieren geprüft.
Die Daten des SCARPA RUSH
- Die Optik ist – wie immer – Geschmackssache: Die jeweilige Farbwahl gefällt uns gut. Bunt zwar, aber doch eher unaufgeregt. Jedenfalls keine übertriebenen „Neon-Leuchter“.
- Als Obermaterial kommt ein atmungsaktives Mesh zum Einsatz, das zusätzlich an den Seiten mit PU-Streifen verstärkt wird.
- Die schützende Zehenkappe fällt erstaunlich steif aus.
- Das bewährte Sock-Fit-System von SCARPA soll eine bequeme, „sockenähnliche“ Passform gewährleisten und bei der Auswahl der Größe passt die normale Schuhgröße. Wenn man dickere Socken bevorzugt, sollte eine halbe Nummer dazu gerechnet werden.
- Die Sohle ist aus zwei unterschiedlichen EVA Dämpfungseinlagen aufgebaut, was für ein optimales Abrollverhalten sorgen soll.
- Der Mittelfuß wird durch einen TPU Schaft unterstützt.
- Die Laufsohle basiert auf der IKS (Interactive Kinetic System) Technologie und verspricht mit dem markant strukturierten Profil einen stets zuverlässigen Grip auf unterschiedlichsten Untergründen.
- UVP: 139,95 €
Der Test
So – genug der nackten Fakten! Der steile Steig vom Hausberg ruft und die Sonne steht schon tief. Um keine Zeit zu vertrödeln, legen wir die ersten paar hundert Meter vom Büro bis zum Beginn des Waldpfades joggender Weise zurück. Auch wenn der urbane Asphalt nicht unbedingt zum bevorzugten Terrain des RUSH zählt, gibt er sich hier keine Blöße. Die EVA-Einlagen dämpfen auf dem harten Untergrund angenehm – die Gelenke werden es einem später danken. Die Sock-Fit-Konstruktion macht ihrem Namen alle Ehre: Nichts rutscht, nichts drückt, alles sitzt. Schon nach wenigen Metern sind Schuh und Fuß zu einer soliden Einheit verschmolzen. Blasen haben hier keine Chance.
Nach dem Warmlaufen gehts jetzt aber endlich ans Eingemachte! Der schmale Steig hinauf auf den Gipfel windet sich in zahlreichen Kehren durch eine steile, bewaldete Flanke empor. Vom weichen Waldboden über wild verwachsene Wurzeln bis hin zu einzelnen felsigen Stufen ist hier das volle Trail-Programm geboten. Joggend geht es in diesem wirklich steilen Hang nicht mehr weiter – zumindest für uns nicht. Dennoch bleibt das Tempo hoch. Grund hierfür ist neben dem geringen Gewicht auch die flexible Sohlenkonstruktion des RUSH. Sie ermöglicht mit ihrem natürlichen Abrollverhalten ein effizientes und dadurch kraftsparendes Steigen.
Dass diese Flexibilität nicht zu Lasten der schützenden Stabilität geht, merke ich ein paar Kehren später an einer felsigen Stufe: Durch eine kleine Unaufmerksamkeit stolpere ich über eine Wurzel und trete beim Abfangen des Beinahe-Sturzes unkontrolliert und mit voller Wucht gegen einen kleinen Felsblock. Puh – so sehr ich mich im Vorfeld über den arg steifen Zehenschutz gewundert habe: Soeben hat er mich definitiv vor fiesen Schmerzen bewahrt! Auch der übrige Schuh ist deutlich stabiler konstruiert als ein reiner Trailrunningschuh. Okay – das gefürchtete seitliche Umknicken am Knöchel wird im Gegensatz zu einem hohen Wanderstiefel nicht ganz verhindert werden können, aber der Schaft des RUSH ist gerade im Knöchelbereich verstärkt und wirkt dadurch spürbar stützend auf das gefährdete Gelenk mit ein.
Überhaupt fühlen wir uns gut aufgehoben im RUSH. Die TPU-Ränder ziehen weit nach oben und schützen so neben dem Fuß auch das leichte Mesh vor Schäden. Dieses sorgt mit seiner luftigen Struktur für ein angenehmes Fußklima und wird wohl vor allem im Sommer seine Stärken voll ausspielen können. Doch auch bei den aktuell einstelligen Temperaturen frieren unsere Zehen im RUSH nicht.
Es ist noch früh im Jahr. Neben dem alten Laub sind teilweise sogar noch kleine Schneereste anzutreffen. Im schattigen Wald hält sich zudem die Feuchtigkeit länger als im offenen Gelände. Doch weder das schmierige Laub noch die glitschigen Wurzeln bringen den RUSH in Verlegenheit: Der Grip ist stets über jeden Zweifel erhaben und steht dem eines ausgewachsenen Wanderstiefels in nichts nach.
Nach knapp einer Stunde haben wir die erste Hürde genommen: Rechtzeitig zum Sonnenuntergang stehen wir am höchsten Punkt. Doch jetzt fängt die Uhr zum zweiten Mal zu ticken an. Gut eine halbe Stunde wird das Tageslicht noch reichen, um sicher ins Tal zu kommen.
„Ab wie auf“ lautet das Motto des Rückwegs und so darf sich der RUSH gleich nochmal im steilen Gelände beweisen. Wir kennen den Weg gut und drücken aufs Gas. Das grob-stollige Profil der Laufsohle bremst zuverlässig. Schnell gewinnen wir Vertrauen in den Grip und fetzen nur so durch den Wald bergab. Auch der breite EVA-Keil unter der Ferse dämpft jetzt spürbar die harten Schläge ab. Mit dem letzten Licht haben wir wieder Asphalt unter den Sohlen und ein breites Grinsen im Gesicht.
Unser Fazit
Der RUSH hat uns beide auch bei weiteren Touren nicht enttäuscht. Durch seine gelungene Kombination aus Stabilität und Flexibilität, aus Schutz und Komfort eignet er sich für ein breites Einsatzspektrum: Von einfachen Wald- und Wiesenwegen bis hinauf in felsigere alpine Regionen – an diesem Schuh wird eine Tour so gut wie nie scheitern. An seine Grenzen kommt er höchstens im hochalpinen Gelände: Dort würde das luftige Obermaterial aus Mesh wohl schnell dem scharfkantigen Schutt in Geröllhalden nachgeben, was sich in einer geringeren Haltbarkeit äußern würde. Doch dafür ist er ja auch nicht konzipiert, weshalb man ihm das nicht wirklich als Schwäche anrechnen kann.
Eine echte Schwäche hat der RUSH dann in unseren Augen aber leider doch noch: So angenehm luftig das Obermaterial aus Mesh bei warmem Wetter auch sein mag: Die fehlende wasserdichte Membran macht sich bei nasser Witterung in Form von feuchten Füßen bemerkbar. Wer aber ohnehin lieber bei trockenen Bedingungen unterwegs ist und taufrische Wiesen am Morgen meidet, wird im RUSH einen zuverlässigen, sicheren und gleichzeitig komfortablen Begleiter finden, der für 80 % aller Bergtouren und 100 % aller Wanderungen vollkommen ausreichend ist. Und wer es doch lieber wasserfest hätte: Im September kommt eine Gore-Variante auf den Markt.
© José Javier Faust Girón
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