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„Don´t limit your challenges – challenge your limits “ – zwei Trailrunnerinnen über ihr Leben zwischen Kindern und Sport

Was macht eigentlich die Faszination Trailrunning aus? Und wie kann man Familie und (Extrem-)Sport unter einen Hut bringen? Darüber haben wir mit den Trailrunnerinnen Claudia und Kerstin gesprochen – zwei leidenschaftliche Läuferinnen und Mütter, welche wir im Sommer auf ihrem Weg begleiten.

Im Interview verraten sie uns, wie man Familienleben mit kleinen Kindern, Arbeit und (Extrem-)Sport unter einen Hut bekommt.

Outdooractive: Hallo Claudia, Hallo Kerstin, wir freuen uns sehr, dass wir euch heute interviewen dürfen. Ihr seid beide Mamas von zwei bzw. drei Kindern. Gleichzeitig nehmt ihr an Straßenläufen und nun auch seit 4-5 Jahren an Trailrunning-Events teil.
Erzählt doch mal, was hat euch zum Trailrunning gebracht? Was ist das Besondere am Trailrunning?

Kerstin: Mein letzter langer Straßenlauf war der Marathon in Kopenhagen 2018 und da habe ich sehr gelitten. Ich hatte mir für den Marathon keine Zeit vorgenommen, trotzdem war es sehr hart für mich – nicht nur körperlich, auch mental.
Vorher habe ich einmal in Innsbruck Trail-Luft geschnuppert und nach dem Marathon in Kopenhagen habe ich dann den Mut gefasst und mir gedacht, das trau ich mich jetzt einfach und mich dann spontan beim Zugspitz Ultra über die Base-Trail-Distanz (36 km) angemeldet. Das war der schönste Tag meines sportlichen Lebens (nach dem Ironman) und seitdem bin ich fast nur noch auf Trails unterwegs. Meinem Körper tut es so gut und die Regeneration ist so viel schneller als nach Straßenläufen.

Claudia: Nach meinem ersten Marathon in meiner Heimatstadt Berlin habe ich relativ schnell festgestellt, dass der Druck, den man sich bei Straßenläufen oft macht, weil man das Rennen in einer bestimmten Zeit absolvieren möchte, auf Dauer doch ziemlich belastend ist – für Kopf und Körper. Ab da stand für mich fest: Ich möchte wieder laufen, weil es Spaß macht und nicht, um irgendeine neue Bestzeit zu erreichen. Zurück zu den Anfängen sozusagen.
In den letzten Sommerurlauben im Allgäu bin ich stets auf den schönen Trails gelaufen und liebe diese Ruhe und die Landschaft. Es folgten also meine ersten beiden Trailrunning-Wettkämpfe und ich wusste sofort: Das ist das, was ich möchte. Meine Liebe zur Natur und den Bergen, verbunden mit meiner Liebe zum Laufsport… endlich wieder den Kopf frei und einfach nur genießen.

„Die Berge, die Leute, die Geschichten, die dort entstehen, sind einfach unglaublich.“

Outdooractive: Was waren für euch Trailrunnerinnen aus sportlicher Sicht die Highlights der letzten Jahre?

Kerstin: Für mich hatte jeder Lauf ein Highlight. Auch an der Walser Trail Challenge 2019 in strömendem Regen teilzunehmen, war super. Ich hatte davor noch nie ein Trail-Event im Regen erlebt und ich fand es einfach nur toll. Hört sich vielleicht seltsam an, aber es war mental eine ganz andere Herausforderung. Auch mein erster Ultra (Allgäu Ultra über 69 km) war phänomenal schön – einmal quer durchs Allgäu und Kleinwalsertal mit Sonnenaufgang über Bad Hindelang. 69 km in unter 10 Stunden zu laufen, zwischendrin noch ein Schwätzchen mit Einheimischen an den Verpflegungsstationen zu halten und am Ende meine Kinder zu küssen und zu umarmen und übers Ziel zu tragen – einfach wunderschön und hat mir auch wieder gezeigt, was der Körper alles leisten kann, wenn die mentale Einstellung da ist.
Mein bisher größtes Highlight waren die zwei Etappen, die ich beim Transalpine Run 2019 gelaufen bin. Manchmal ist es schwer, die Emotionen in Worte zu fassen, aber die Berge, die Leute, die Geschichten, die dort entstehen, sind einfach unglaublich. Ich erinnere mich an einen Läufer, der hinter mir seinem Team-Partner seine Lebensgeschichte erzählt hat und für mich war es wie ein Hörbuch beim Berganstieg. Ich habe mich danach auch bei ihm bedankt, denn er hat echt sehr interessant erzählt.

Claudia: Jeder Lauf hat für mich seinen eigenen Reiz und wird durch die unterschiedlichsten Dinge zum Highlight. So versuche ich auch einem vermeintlich „schlechten“ Lauf etwas Positives abzugewinnen.
Mein erster Marathon in Berlin war ein Highlight, weil es eine komplett neue Herausforderung war und weil entlang der Strecke in meiner Heimatstadt immer wieder Freunde und Familienmitglieder auf mich warteten, um mich anzufeuern.
Aufgrund meiner Entfernung zu den Alpen (ich lebte in Berlin) habe ich mir auch schon den ein oder anderen Trail-Event in deutschen Mittelgebirgen angesehen und ich muss sagen, es lohnt sich! Ein Highlight war z. B. der SachsenTrail HalfTrail (34,4 km) im Erzgebirge, den ich auch in diesem Jahr wieder laufen werde. So wird aus einem Trail-Lauf ein Trail-Wochenende mit Zelt und Isomatte.
Mein absolutes Highlight der letzten Jahre war mein erster alpiner Trail Run im Kleinwalsertal, der Widderstein Trail (15 km) bei der Walser Trail Challenge 2019. Für mich als Flachländer sind die Anstiege natürlich eine besondere Herausforderung aber wenn man den höchsten Punkt erreicht hat und dort kurz innehält, dann ist die Aussicht und das Gefühl der Freiheit die Belohnung für die Anstrengung.
Das Schönste an all den Läufen ist, wenn die Familie im Ziel auf dich wartet und die Kinder einen die letzten Meter über die Ziellinie begleiten.

„Gemeinsam trainieren, mit 700 km Entfernung voneinander? Das geht eigentlich nur virtuell.“

Outdooractive: Kerstin du lebst mit deiner Familie im Allgäu und Claudia du bist erst vor kurzem ins Allgäu gezogen. Bis Ende letzten Jahres haben euch noch fast 700km voneinander getrennt. Trotzdem hattet ihr euch ein gemeinsames Ziel für 2020 gesteckt: die Teilnahme als Team beim Transalpine Run Ende August. Zwischen Start und Ziel bei diesem legendären Etappenlauf liegen rund 255 Kilometer und 16.500 hm in 8 Tagen.
Wie kam es zu diesem Ziel und wie habt ihr es trotz der großen Distanz geschafft, so ein Ziel miteinander zu meistern?

Kerstin: Ich bin 2019 zwei Etappen vom Transalpine Run gelaufen und dachte mir im Ziel in St. Anton „oh man, jetzt muss ich schon aufhören“ und war echt traurig. Da ich wusste, dass Claudia beim Walser Trail Gefallen am Trailrunning gefunden hat, habe ich sie einfach gefragt und sie hat „JA“ gesagt.
Seit wir nur noch ein paar Kilometer voneinander getrennt sind klappen unsere gemeinsamen Läufe auch nicht immer. Es ist schon eine Herausforderung die Familie, Arbeit und dann natürlich noch die Pandemie mit all seinen laufenden Änderungen unter einen Hut zu bringen und sich dann noch zu sehen oder erstmal zu überlegen ob und wo es denn möglich ist zu laufen. Aber wir halten uns gegenseitig auf dem Laufenden mit dem laufen und witzigerweise leiden wir beide mal mehr mal weniger an gleichen Dingen wie Müdigkeit, schweren Beinen, etc.
Wir hatten einmal einen Long Run vor uns, wussten jedoch nicht, dass wir beide laufen sind. Das haben wir dann durch Zufall herausgefunden und hatten beide jeweils noch eine Stunde zu laufen. Das tat so gut zu wissen, dass Claudia in Berlin ihre Runde dreht, während ich im Allgäu noch ein paar Kilometer zu absolvieren hatte. Es war reine Kopfsache bei mir und ich hab mir einfach vorgestellt wie es ist, wenn wir beide k.o. sind aber uns gegenseitig anspornen ins Ziel zukommen.

Claudia: Ich habe oft die Sommer- und Winterferien mit meiner Familie im Allgäu verbracht und habe natürlich dann auch diese Zeit genutzt, um mich mit Kerstin zu treffen. Vor vier Jahren fanden wir durch Zufall heraus, dass wir das gleiche Hobby haben und so kam es, wie es kommen musste: Wir liefen unseren ersten gemeinsamen Lauf. Nach dem Widderstein Trail im Kleinwalsertal war für mich dann klar: Ich will mehr alpine Läufe.
Ich verfolgte Kerstins Trail-Läufe in den letzten Jahren oft per Handy. Sie schickte mir Fotos vom Lauf und ich schickte ihr motivierende Nachrichten und saß nicht selten vor dem Online-Tracker und fieberte mit. Wenn sie mir dann im Nachgang von ihrem Lauferlebnis erzählte, ergriff mich oft etwas Wehmut und der Gedanke „Ich will auch!“. Als Kerstin mich dann fragte, ob ich Lust hätte, den Transalpine Run mit ihr zu laufen, musste ich nicht lange überlegen.
Als die Entscheidung gefallen war, stand natürlich fest: Ab Januar geht das Training los! Kerstin hatte in der Hinsicht einen Heimvorteil, Berge vor der Haustür… für mich war das etwas schwieriger.
Gemeinsam trainieren, mit 700 km Entfernung voneinander? Das geht eigentlich nur virtuell. Wie Kerstin schon erzählt hat sind wir einmal zufällig zeitgleich gelaufen. Es war schön zu wissen, dass da jemand ist, der mit dir läuft. Die letzte Stunde war auch bei mir dann reine Kopfsache und Kerstins Stimme in meinem Kopf hat mich gezogen. In den darauffolgenden Monaten war es oft so, dass wir uns für das Wochenende zum „gemeinsamen“ (zeitgleichem/virtuellem) Laufen verabredeten, sodass wir uns gegenseitig unterstützen und am Training dranbleiben konnten.

Outdooractive: Leider musste der Trans Alpine Run auf 2021 verschoben werden, aber immerhin wohnt ihr mittlerweile nur noch wenige Kilometer voneinander entfernt. Wie hat sich das auf euer gemeinsames Training ausgewirkt? War das gemeinsame Online Training genauso motivierend wie das jetzige face-to-face Training? Wo liegen die Unterschiede?

Kerstin: Wie oben schon beschrieben hat sich zwar die Distanz in Kilometer verkürzt aber die Pandemie und oftmals auch die Familie machen es uns nicht leichter öfter gemeinsam zu trainieren. Wenn wir es dann aber können sind wir beide so happy und für mich ist es dann immer wieder genau das Erlebnis, warum ich mit Claudia den TAR laufen möchte. Ich liebe es allein zu laufen, aber zu zweit macht es dann doppelt so viel Spaß. Und ich hoffe sehr, dass wir jetzt dann im Frühling mit den längeren Sonnenstunden mehr gemeinsam laufen können. Da wird es einfacher die Morgen- und Abendstunden fürs Laufen zu nutzen.

Claudia: Es ist wunderbar nun so viel dichter beieinander zu wohnen und die Chance zu haben öfter gemeinsam zu trainieren. So oft es mit unseren Familien vereinbar ist, versuchen wir uns derzeit wenigstens an den Wochenenden zu einem langen Lauf zu treffen. Ich liebe diese gemeinsamen Läufe, denn sie zeigen mir jedes Mal wie gut wir inzwischen als Team funktionieren und wie wir uns bereits wortlos verstehen. Das ist bei einem virtuellen Training ja so nicht gegeben.
Wenn die Tage nun wieder länger werden, kommen sicher der ein oder andere Abendlauf unter der Woche dazu. Jedoch geht es uns derzeit wie vielen anderen Sportlern auch, die Pandemie und die damit einhergehenden Beschränkungen machen ein gemeinsames Training nicht immer möglich.

Gründe Bergwiese mit Trailrunnerinnen

„Ein toller Nebeneffekt ist, dass meine Kinder mit Sport groß werden und es für sie normal ist.“

Outdooractive: Wie schwer ist es, Familie und Sport unter einen Hut zu bringen bzw. den Sport in euren Alltag zu integrieren? Claudia, du bist neben deinen Kindern auch noch in Vollzeit berufstätig, richtig?

Kerstin: Ich finde es täglich immer wieder eine Herausforderung. Allerdings lasse ich mich nicht beunruhigen, wenn es mal nicht nach „Plan“ läuft. Ich versuche, nach dem Trainingsplan, der auf der Transalpine-Run-Webseite veröffentlicht wurde, zu laufen. Jedoch klappt es nicht immer mit der genauen Zeit. Aber ich mache, so viel ich kann. Manchmal gehe ich gleich in der Früh um 6:00 Uhr, oder ich laufe schon mit den Kids in den Kindergarten, d. h. ich schiebe meine Zwillinge im Fahrradanhänger, während mein Großer radelt und danach drehe ich noch eine Runde zurück nach Hause, oder ich geh am Abend… Ich hab gelernt, sehr flexibel zu sein und mich auch nicht zu sehr zu verkopfen. Dabei vertraue ich auf meinen Körper und mir geht es nicht um Zeit oder darum, zu gewinnen. Ich will es genießen, Spaß haben und die Berge sehen.

Claudia: Jeder Tag ist anders und egal, wie gut man plant, es kommen gerade mit Kindern immer wieder Dinge dazwischen, sodass am Ende eine gut geplante Woche komplett anders endet, als man es am Montag gedacht hatte. Flexibilität und Organisationstalent sind hier das A und O. Meine Kinder sind schon etwas älter als die von Kerstin und somit selbstständiger, was mir natürlich etwas mehr Freiheit für meine Trainingseinheiten gibt.
Ja, ich bin Vollzeit berufstätig – Laufeinheiten von 1 h oder weniger absolviere ich oft in meiner Mittagspause oder direkt nach der Arbeit. Stabilitätstraining und Kraftübungen mache ich daheim, wenn die Kinder im Bett sind und meine langen Läufe finden grundsätzlich am Wochenende statt. Hier versuche ich so oft es geht, meine Kinder mit einzubinden. Sie begleiten mich dann auf dem Fahrrad (ist schon praktisch, wenn man jemanden für den Transport von Wasser und Verpflegung hat). So verbringen ich Zeit mit meinen Kindern und absolviere zeitgleich mein Training. Ein toller Nebeneffekt ist, dass meine Kinder mit Sport groß werden und es für sie normal ist. So hat mein großer Sohn (13) beispielweise nun auch mit dem Laufen begonnen.

„Was wäre das Leben ohne eine ordentliche Portion Herausforderung und ab und an auch mal über seine eigenen Grenzen hinauswachsen?“

Outdooractive: Was sind eure sportlichen Ziele für 2021? Und was ist euer „Motto“?

Claudia & Kerstin: Das absolute Highlight wird der Transalpine Run sein, auf den wir uns riesig freuen. Auf dem Weg dorthin nehmen wir noch an einigen anderen Trailrunning-Events teil. Zusammen laufen wir auf jeden Fall wieder bei der Walser Trail Challenge und vielleicht noch in Innsbruck!
Unser Motto ist „Don´t limit your challenges – challenge your limits “ denn was wäre das Leben ohne eine ordentliche Portion Herausforderung und ab und an auch mal über seine eigenen Grenzen hinauswachsen? — Einfach kann ja jeder.

Claudia und Kerstin - die beiden Trailrunnerinnen

Mehr über die beiden Trailrunnerinnen erfahrt ihr auf unserem Blog und dem Outdooractive Instagram Kanal!

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