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Mit E-Bike und Hund auf Fahrradreise durch Europa

Ohne Ziel aber mit viel Motivation startete Iris Joschko im April 2019 ihre sechsmonatige Fahrradreise durch Europa. Immer mit dabei: ihr Hund Zuri. Nach 6678 km hat sie viele Erfahrungen und Eindrücke gesammelt.

Outdooractive hatten die Gelegenheit, mit ihr über die Reise und ihre Motivation zu sprechen.

Outdooractive: Sechs Monate nur mit Hund und E-Bike durch Europa. Was hat dich motiviert, diese Reise zu starten?

Iris: Ich hatte ganz unterschiedliche Motive. Zum einen wollte ich eine Reiseart finden, an der meine Hündin Zuri Freude hat. Sie saß nämlich zuvor vier Jahre brav unter meinen Schreibtisch und motivierte mich, meine Doktorarbeit fertig zu schreiben. Bei ihr wurde im Alter von neun Monaten ein Gehirntumor festgestellt. Die Ärzte meinten damals, dass man nichts machen könnte und dass sie vermutlich nur noch ein Jahr zu leben hätte. Da meine Mutter nur wenige Monate zuvor an Krebs gestorben war, war dies ein riesiger Schock für mich. Ich wollte nicht auch noch Zuri verlieren.

„Mit dem Fahrradreisen habe ich tatsächlich meine „eierlegende Wollmilchsau“ gefunden.“

Ich habe ihr damals versprochen, dass wir zusammen die Welt entdecken, sobald ich mit meiner Arbeit fertig bin – wenn sie bis dahin durchhält. Und sie hat durchgehalten. Die Tierärzte sind immer noch überrascht und einer meinte sogar, dass sie jeder Tumortheorie widersprechen würde.

Ich denke, es ist die pure Lebensfreude, die sie am Leben hält. Mittlerweile ist sie schon sechs Jahre alt. Trotzdem zeigt sie mir durch ihren Tumor täglich, dass man nie weiß, wann das Leben zu Ende ist. Und dass man es mit Dingen verbringen sollte, die einem Freude bereiten. 😊

Außerdem liegt mir das Thema Nachhaltigkeit sehr am Herzen. Wir sind ein Teil der Natur und langsam an dem Punkt angekommen, wo das Nullsummenspiel mit der Erde aufhören muss.

Das Wichtigste ist, dass man loskommt. Man kann nicht alles planen und oft sind die schönsten Erfahrungen die, die sich spontan ergeben.

Ich habe mich im Zuge meiner Doktorarbeit in der Umweltpsychologie intensiv damit auseinandergesetzt, wie wir Menschen uns zu Verhaltensänderungen motivieren lassen. Für mich fasst es das Zitat „be the change you want to see in the world“ perfekt zusammen. Wir sind eine sozial abhängige Spezies mit einer Vorbildfunktion. Jeder Einzelne hat Einfluss auf seine Umgebung und die Menschen um ihn herum. Wir sind alle Vorbilder! Ich möchte mit meinen Reisen anderen, insbesondere Frauen, die Angst nehmen, ihre Träume zu leben. Für mich ist das Wichtigste auf solchen Reisen, auf die Intuition und das Bauchgefühl zu hören. Dank Zuri habe ich mich auch immer sehr sicher gefühlt, egal wo ich war.

Outdooractive: Du hättest ihr die Welt aber auch aus dem Auto zeigen können. Warum ausgerechnet das Fahrrad?

Iris: Als Zuri fünf Monate alt war, fuhren wir zusammen mit dem Auto durch Schweden. Diese Art von Reisen hat mir nicht gefallen. Den größten Teil unserer Zeit haben wir stillsitzend im Auto verbracht, um zwischendurch im Wald spazieren zu gehen. So einen Urlaub wollte ich nie wieder machen. Zuri sollte rennen können, weil sie das am liebsten macht. Und der Wind sollte ihre Öhrchen flattern lassen, während sie sich ausruht.

Das Thema Reisen war immer meine persönliche Achillesverse in Bezug auf Nachhaltigkeit. Ich liebe es, Neues zu entdecken, in andere Kulturen einzutauchen und einfach in der Natur zu sein. Mit dem Fahrradreisen habe ich tatsächlich meine „eierlegende Wollmilchsau“ gefunden. Also etwas, das alles vereint. Ich habe auf der Reise 2019 schnell festgestellt, dass das Fahrrad die perfekte Geschwindigkeit hat, um die Welt um mich herum wirklich wahrzunehmen. Es gibt keine Scheibe, die mich abtrennt. Ich spüre die Sonne auf der Haut, den Wind um meine Ohren und rieche die Blumen, an denen ich vorbeifahre. Gleichzeitig bewege ich mich, habe Zeit, mich umzuschauen und kann überall stehen bleiben. Ich bin vor der Reise nie wirklich Fahrrad gefahren, weil es mir oft einfach zu anstrengend war – insbesondere in bergiger Landschaft.

Das E-Bike hat sich für mich als die perfekte Lösung herausgestellt, weil ich den Bergen so mit Freude entgegenfahren konnte. Ich habe damit sogar an einem Tag problemlos in der Schweiz zwei Berge überquert.

Urlaube mit dem Fahrrad machen mich einfach glücklicher. Die Eindrücke sind intensiver und man taucht viel tiefer in ein Land oder eine Region ein. Die Menschen betrachteten mich als Teil ihrer Gemeinschaft, nie als Fremde. Ich habe auf keiner anderen Reise so viel Herzlichkeit und Gastfreundschaft erlebt!

Outdooractive: Das hört sich toll an und macht Lust, sich gleich aufs Fahrrad zu schwingen. Hast du dich besonders auf die Reise vorbereitet?

Iris: Ich muss schmunzeln, weil ich gerade daran denken muss, was meine Schwester vor der Reise zu mir sagte. Sie meinte, dass ich ohne Training innerhalb einer Woche zurückkommen würde. Mir würde alles zu viel werden und ich hätte von Muskelkater geplagt bestimmt keine Lust mehr, weiter auf dem Fahrrad zu sitzen.
Trotz dieser Worte habe ich mich nicht wirklich vorbereitet. Selbst das Fahrradschloss kam erst am Tag der Abreise mit der Post. Zu Beginn bin ich um die 50 km täglich gefahren. Ich habe immer dann aufgehört, wenn ich keine Lust mehr hatte. Ich musste kein spezielles Ziel erreichen, da ich gerne und viel draußen geschlafen habe. Oft bin ich auch spontan eingeladen worden.

Das Wichtigste ist, dass man loskommt. Man kann nicht alles planen und oft sind die schönsten Erfahrungen die, die sich spontan ergeben. Die Reise hat bei mir nur funktioniert, weil ich einen Schritt nach dem anderen gegangen bin. Ich hätte mir nie zugetraut, knapp 6700 km in sechs Monaten zu radeln. Ich wusste am Anfang nur, dass ich erstmal in die Schweiz fahren wollte, weil es dort so schöne Berglandschaften gibt.

„Nie bin ich als Tourist wahrgenommen worden.“

Dort angekommen habe ich mir überlegt, welche Route ich durch das Land nehmen könnte, um nach Italien zu kommen. Dann habe ich mir Gedanken gemacht, welches Land ich noch gerne sehen möchte und welche Route ich dorthin nehmen könnte. Ich wollte gerne Montenegro und Griechenland sehen – bis Montenegro bin ich gekommen. Dort habe ich dann eine Frau getroffen, die mich nach Sarajevo eingeladen hat – und so fuhr ich wieder nach Norden. Ein Puzzleteil nach dem anderen fügte sich zusammen.


Ich hatte aber auch Glück. Ich bin nämlich ohne jegliche Ersatzteile losgefahren. In Italien bekam ich dann zwei Radschläuche geschenkt – und dies waren tatsächlich genau die zwei Schläuche, die ich während der Reise austauschen musste.

Outdooractive: Die Hilfsbereitschaft von Fremden ist unglaublich und schön zu beobachten. Zählen solche Momente für dich zu den eindrücklichsten Erinnerungen an deine Reise?

Iris: Ganz eindeutig: Ja! Für mich war die Hilfsbereitschaft von Fremden tatsächlich das Beeindruckendste. Mich haben 21-Jährige zu sich nach Hause eingeladen, aber auch 85-Jährige. Frauen wie Männer, mit und ohne Hund. Oftmals Menschen, mit denen ich mich nur mit Händen und Füßen verständigen konnte. Ich wurde so oft einfach auf der Straße zum Essen eingeladen. Manchmal von Passanten, manchmal von Café-Besitzern. Mir wurden sogar Hotels bezahlt.

Ich hatte 2019 drei Fahrradpannen. Bei allen war innerhalb von zwei Minuten ein Einheimischer da, der alles repariert hat. Einmal in Bosnien, einmal in Serbien und einmal in der Slowakei. Und das Überraschende für mich war, dass sich viele zum Abschied bei mir bedankt haben – für die Begegnung und die schöne Zeit, die sie hatten.

Nie bin ich als Tourist wahrgenommen worden. In Montenegro bin ich mitten im Nationalpark einer sehr alten Schäferin begegnet. Sie kam auf mich zu, gab mir Kekse und fragte mich, warum ich auf einem Parkplatz und nicht bei ihr geschlafen hätte. Sie hätte mir doch morgens Kaffee machen können. Neben mir auf dem Parkplatz übernachtete auch ein junges deutsches Pärchen in einem VW Bus. Die Alte fragte mich flüsternd, ob das meine Freunde seien. Ob das gute Touristen seien. Sie machte offensichtlich einen großen Unterschied zwischen mir und den anderen Reisenden – und Vergleichbares ist mir überall passiert.

Outdooractive: Vielen Menschen fällt gerade der erste Schritt unglaublich schwer und sie schrecken schon vor der Planung zurück. Was würdest du solchen Menschen raten? 

Iris: Ich persönlich würde sagen, dass man nicht zu viel planen sollte. Das macht einen nur unflexibel, sich auf spontane Ereignisse einzulassen. Was uns oft am meisten erfüllt, sind Dinge, auf die wir uns nie vollständig vorbereiten können. Die perfekte Vorbereitung wird viel zu oft als Ausrede benutzt, warum man die eigene Komfortzone dann doch nicht verlässt.

Auf langen Reisen wird nie alles so laufen, wie geplant. Aber auch die schwierigen Situationen bergen oft positive Erfahrungen und Lernpotenziale. Es gibt einfach viele Unbekannte in der Gleichung – und genau das ist das Wunderbare daran. Deswegen kann ich jedem nur raten: Befreie dich vom Druck, alles zu planen. Reisen bedeutet immer Ungewissheit. Reisen bedeutet Entdecken.

„Ich spüre pure Lebensfreude, wenn ich auf dem Fahrrad sitze, unbekanntes Terrain entdecke, Zuri neben mir rennt und mir bestenfalls sogar die Sonne ins Gesicht strahlt.“

Lass dich nicht in deiner Komfortzone halten und mache das, was dir Freude bereitet und dein Herz erfüllt. Es wird es wert sein!

Outdooractive: Unterwegs erlebt man nicht nur schöne Momente. Manchmal geht auch etwas schief. Auf welche Schwierigkeiten bist du gestoßen?

Iris: Die größte Schwierigkeit lag für mich darin, dass meine Akkus sich irgendwann nicht mehr laden ließen. Das hat mich in viele komplizierte Situationen gebracht. Es hat einige Wochen gedauert, bis ich feststellen konnte, worin der Fehler lag (ein Wackelkontakt im Ladegerät) und wie ich ihn vermeiden konnte.

Als ich im Juli in Kroatien unterwegs war, erlebte ich dort die touristische Hochsaison. Die Straßen waren voll und insbesondere Busse waren beim Überholen sehr rücksichtslos, sodass mein Vorwärtskommen alles andere als ungefährlich war.

Nächster Punkt: die Navigation. Ich hatte mich zu Beginn auf die EuroVelo-Fahrradwege verlassen. Man sollte sich diese Strecken jedoch genaustens angucken – denn oft bestehen sie nur auf dem Papier und man teilt sich die Straße in der Realität mit vielen Autos.

Gegen Ende der Reise kam dann noch der Regen hinzu. Nässe kann sehr zermürbend sein. Man kann nicht einmal stehen bleiben, weil es dann schnell zu kalt wird.

Outdooractive: Es klingt trotzdem so, als würden deine positiven Erfahrungen die negativen um ein Vielfaches aufwiegen. Würdest du eine solche Reise auch anderen Menschen empfehlen?

Iris: Auf jeden Fall. Jeder, der den Traum hat, mit dem Rad unterwegs zu sein, sollte ihn verwirklichen. Man kann auch mit kleineren Reisen anfangen. Man braucht keine weiten Strecken oder große Pläne, um Erfahrungen zu sammeln, herauszufinden, was einem gefällt und was man braucht, um sich sicher zu fühlen. Wichtig ist, es einfach zu tun und nicht alles bis ins kleinste Detail planen zu wollen. Jede Reise bringt ihren eigenen Flow und Rhythmus mit.

Für mich gehört Abenteuer zum Leben dazu. Ich spüre pure Lebensfreude, wenn ich auf dem Fahrrad sitze, unbekanntes Terrain entdecke, Zuri neben mir rennt und mir bestenfalls sogar die Sonne ins Gesicht strahlt. Und ich denke, darum geht es. Wir sollten unser Leben mit Dingen füllen, die uns Freude bereiten, mit denen wir uns persönlich ausdrücken können – und auf keinen Fall unsere Wünsche auf die lange Bank schieben.

Hier geht es zum zweiten Teil des Interviews. Dort erfährst du mehr über ihr Equipment und wie es für sie war zurückzukommen.

Mehr zu Iris Reise durch Europa findest du auf ihrem Blog und Youtube Kanal.

Iris Joschko – YouTube

Earth the beauty – Blog

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